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Marie-Louise Poeschel / Denise Richardt

Invisibilia

Text zum Konzert und der Ausstellung in der Parochialkirche im Juni 2014

(Josef Gabriel Rheinberger Cantus Missae Es –Dur , op.109 // Denise Richardt, Malerei)

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Die barocke Parochialkirche ist ein ästhetisch sehr anspruchsvolles Bauwerk. Auch heute noch beeindruckt der Innenraum der im zweiten Weltkrieg stark beschädigten und nicht vollständig restaurierten Kirche durch seine besondere Schönheit und intensive Stimmung. Der hohe Zentralbau mit seinen schmucklosen, unverputzten Ziegelwände erzeugt eine sakrale, fast archaische Atmosphäre. Von dem Gebäude umschlossen, spürt man zunächst die Leere dieses Raumes. Dann jedoch richtet sich die Aufmerksamkeit nach Außen, auf das hereinfallende Licht, das Grün der Bäume hinter dem Fensterglas. Diese Situation des Besuchers, innen zu sein und zugleich deutlich das Außen wahrzunehmen, lässt das Gefühl metaphysischer Geborgenheit entstehen.

Die Idee, in einem künstlerischen Projekt Musik und Malerei zu vereinen, entstand in konkretem Bezug zu diesem besonderen Ort und seiner Geschichte.

Musik und Malerei haben ihre Wurzeln im Sakralen. Und: Es ist nicht nur das Auge, das sieht und das Ohr, das hört, sondern jeweils unser Geist, ein Bewusstsein, das schaut und lauscht.

Der Titel „Invisibilia“ entstammt einer Zeile des Credo, Bestandteil des lateinischen Messtextes. In der Bearbeitung desselben Themas, der lateinischen Messe, in bildnerischer und musikalischer Form, wird eine Gegenüberstellung und Annäherung von Malerei und Musik, von Sicht- und Unsichtbaren untersucht. 
In den liturgischen Texten der lateinischen Messe, vor allem in den oft vertonten Teilen Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus und Agnus Dei geht es um Gott und das Verhältnis zu ihm. Hier wird eine Fülle an Reflexionen, Emotionen und Affekten vorgeführt, die eine sehr menschliche Dimension offenbaren: Trauer, Verlassenheit, Dankbarkeit, Freude, Glauben, Zweifel und Bekenntnis.

Die für die Altarkonche der Kirche entstandenen Gemälde Denise Richardts (3,30 x 2,00 m, Eitempera auf Leinwand), sollen die Aufführung des Cantus Missae Es –Dur , op.109 von Josef Rheinberger, einer sehr klangmalerischen Messvertonung, ergänzen und erweitern.

Dabei wird auch auf die barocke Idee des Gesamtkunstwerks zurückgegriffen: Wort, Bild und Musik wirken und durchdringen sich in einem Raum.

Neben der Auseinandersetzung mit der gemeinsamen, inhaltlichen Substanz, wird gleichwohl auch nach formal – gestalterischen Berührungspunkten gefragt. Die Parallelen von Musik und Malerei zeigen sich schon in den gemeinsam verwendeten Begriffen: Farbe, Klang, Rhythmus, Ton. Setzt man (musikalischen) Ton und (malerische) Farbe in Analogie, wird man feststellen, dass es bei deren Verwendung vielerlei Übereinstimmungen gibt: Hell und Dunkel, Laut und Leise, transparente und opake Klänge eröffnen und formen Räume, Melodie bzw. Linie beschreiben etwas konkret und nachvollziehbar, mehrstimmiger Klang bzw. polychrome Farbflecken dagegen betonen in Harmonie oder Dissonanz das Abstrakte der Komposition.

In den beiden heute vor- und einander gegenüber gestellten Werken findet man jedoch über das Formale hinausgehende Parallelen. Sowohl in Josef Rheinbergers Cantus Missae als auch bei den Landschaftsgemälden von Denise Richardt gibt es deutlich italienische Einflüsse. Trotz freierer Stimmführung und Harmonik ähnelt das Satzbild des Cantus Missae dem der alten italienischen Meister wie beispielsweise Pierluigi da Palestrina. In den Landschaftsbildern, gemalt in der alten Technik der Eitempera, erkennt man Versatzstücke der barocken Ideallandschaften Italiens wieder. Eine weitere Gemeinsamkeit ist das Prinzip der Doppelung und Überlagerung. Zwei Chöre singen Rheinbergers Werk. Das Neben- und Übereinander der acht Stimmen lässt ein komplexes, aber dennoch sehr subtiles Klanggewebe entstehen. Ähnliches ist in den Gemälden wiederzufinden. Die Bildmotive werden gedoppelt, die Farben in vielen Schichten neben- und übereinander gelegt, bis sie – wie die Töne der Musik – eine eigene Tiefe erhalten.

Credo in unum Deum, patrem omnipotentem, factorem coeli et terrae, visibilium omnium et invisibilium. – Ich glaube an den einen Gott, den Vater, den allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, alles Sichtbaren und Unsichtbaren.